„Ob jemand gut führt, zeigt sich in Stresssituationen“ – Katja Ohly-Nauber, Mercedes Benz

„Ob jemand gut führt, zeigt sich in Stresssituationen“ – Katja Ohly-Nauber, Mercedes Benz

Wie passen neue Führungsmethoden in Konzernwelten? Weshalb sind die Perspektiven der Generation Z so wichtig für Unternehmen? Und warum braucht es dringend mehr Demut vor der Führungsverantwortung? Katja Ohly-Nauber ist Marketing-Chefin bei Mercedes-Benz. Wir treffen sie in ihrem Büro gegenüber der Berliner East Side Gallery mit Blick auf die Spree und sprechen mit ihr über die Entwicklung ihres ganz eigenen, persönlichen Führungsstils.

Katja, bist Du eine gute Chefin?

Die Frage ist: Was ist der Maßstab? Am Ende müssen das die beantworten, die man führt. Ich kann nur von meinem eigenen Maßstab ausgehen und da versuche ich so eine Chefin zu sein, wie ich sie mir für mich wünsche.

Wie lässt sich die und deren Führungsstil beschreiben?

Ich will eine lange Leine lassen und mich nicht in die Details der Arbeit meiner Mitarbeiter*innen einmischen. Das heißt, ich möchte gemeinsam Ziele entwickeln, den Weg dahin aber selbstbestimmt gehen lassen. Dann versuche ich nahbar und emphatisch zu sein. Der Job ist schließlich immer nur eine Facette von dem, was und wer wir als Mensch sind. Dahinter stecken weitere Wünsche ans Leben, die auch Raum brauchen. Zum anderen habe ich grundsätzlich ein positives Menschenverständnis: Im Zweifelsfall versuche ich von den besten Intentionen meiner Mitarbeiter*innen auszugehen. Das nimmt Dynamik und Spannung aus Konflikten, weil es leichter fällt, die Dinge nicht persönlich zu nehmen.

„Ich will eine lange Leine lassen und mich nicht in die Details der Arbeit meiner Mitarbeiter*innen einmischen.“

Katja Ohly-Nauber
Du sagst: „Teamführung ist der wichtigste Teil an meinem Job“. Was gefällt Dir am Chefin-Sein? 

Chefin zu sein bedeutet für mich nicht, einen Dienstwagen zu fahren, Schulterklappen zu haben oder Hierarchie zu leben. Mir geht es vor allem um die Möglichkeit, Großes zu bewegen. Alleine kann man das im geringeren Maße. Mit einer Mannschaft hingegen kann man gemeinsam viel mehr erreichen. Nicht durch Befehle oder die Kraft meines Amtes, sondern durch die gemeinsame Begeisterung für die Sache.

Hinter der Geschichte

Das erste Mal persönlich begegnen wir Katja bei einem Abendessen in Berlin. Katja ist die einzige in der Runde, die als junge Führungskraft bereits zwei erwachsene Kinder hat. Schnell beginnt sie von der Generation ihrer Söhne zu schwärmen, sie entpuppt sich als “Generation Z Versteherin” und unterscheidet sich damit von vielen anderen jungen Führungskräften, die kleine oder keine Kinder haben und über die Ansprüche der Jüngeren ans Arbeitsleben nicht selten die Augen verdrehen. Wir hören ihr an diesem Abend gerne zu, lassen uns anstecken von ihrer Begeisterung für ihre Mitarbeiter*innen und die Führungsaufgabe an sich. Im Interview wird sofort deutlich, wieso ihr Verständnis von Führung so gut mit den Bedürfnissen vieler der Generation Z zusammenpasst.

Kann man in der Konzernwelt ohne hierarchisches Wettbewerbsdenken überhaupt Chefin werden?

In einer traditionellen Konzernwelt wird Ambition oftmals noch gleichgesetzt mit persönlichen Karrierezielen und Wettbewerb. Da ist dann der Maßstab: Bin ich besser als die anderen? Habe ich mehr Mitarbeiter*innen und Budget als andere? Wie schnell kann ich Stufe X oder Y auf der Karriereleiter erklimmen? Ehrgeiz ist nichts Schlechtes. Im Englischen gibt es aber eine sehr gute, feine Unterscheidung zwischen „being ambitious“ und „being competitive“. Also ich persönlich bin sehr ehrgeizig, aber Wettbewerb interessiert mich null. Was mich motiviert, sind Wachstum und Entwicklung: Selbst besser zu werden, eigene Lernziele zu erreichen und über sich hinauszuwachsen – das verstehe ich unter Ambition.

„Man hat als Führungskraft eine irrsinnige Verantwortung. Du kannst Leute mit Deinem Verhalten verunsichern, demotivieren, Angst erzeugen. Oder aber motivieren, fördern, begeistern. Dein Verhalten hat direkte Auswirkungen auf Menschen. Dem sollte sich jeder stets bewusst sein.

Katja Ohly-Nauber
Was könntest Du gern besser?

Ich wäre gern manchmal etwas strenger. Da ich nahbar bin, unterschätzt mancher vielleicht auch mal die Dringlichkeit eines Auftrags. Andererseits ist das Verständnisvolle auch mein Stil.

Du sagst: „Bei Daimler wird man auf jeden Führungsschritt und jede damit verbundene Führungsaufgabe hervorragend vorbereitet“. Warum sind in vielen Unternehmen - trotz umfangreicher Seminare – die Führungskräfte oft das Problem unzufriedener Mitarbeiter*innen?

Ich kann jetzt nicht generell für andere Unternehmen sprechen. Man hat als Führungskraft eine irrsinnige Verantwortung. Du kannst Leute verunsichern, demotivieren, Angst und Stress erzeugen. Oder aber motivieren, fördern, begeistern und entwickeln. Dein Verhalten als Führungskraft hat direkte Auswirkungen auf Menschen. Dem sollte sich jeder stets bewusst sein.

Was braucht es, damit verantwortungsvoller geführt wird?

Es hat aus meiner Sicht viel mit Ruhe und eigener Reflektion zu tun. Schafft man es, sein Verhalten immer wieder zu hinterfragen? Oder steckt man im Hamsterrad oder in Automatismen fest? Das passiert in Stressphasen schneller. Ich persönlich glaube, dass es am Ende darum geht, wie man als Führungskraft gerade auch unter Druck agiert – wenn die Deadlines knapp sind, das Budget schmal ist und schnelle Lösungen erwartet werden. Die meisten Menschen verfallen in solchen Druck-Phasen schnell in alte Muster, da nehme ich mich nicht aus. Da fällt das Gelernte aus Seminaren hinten runter. Deshalb sollten Führungskräfte gefördert werden, die intrinsisch eine menschliche, emphatische Führungskultur innehaben, die zeigt sich dann auch in Stresssituationen.

Du bist schon eine ganze Weile Chefin: Was ist heute schwieriger als früher?

Führung bedeutet Orientierung und Sicherheit zu geben. Diese Aufgabe ist schwieriger geworden, da wir heute in einer Welt leben, die sich immer schneller verändert, die unvorhersehbarer wird und in der wir auch als Führungskraft nicht mehr alle Informationen haben. Trotz allem musst du deinen Mitarbeitern vermitteln, loslaufen zu können.

Wie machst Du das?

Ich denke, eine meiner Stärken ist Resilienz. Ich besitze eine ganz gute mentale und emotionale Widerstandsfähigkeit. Nach Rückschlägen nur kurz einzuknicken, dann wieder hochzuschnellen und weiterzumachen. Das ist gerade in Zeiten, in denen du nicht weißt, was kommt, extrem hilfreich. Außerdem bin ich eher optimistisch und positiv und versuche das auch zu vermitteln. Für mich ist das Glas immer halbvoll statt halbleer.

„Die Generation Z ist nicht die „Generation Hängematte“, sondern eine, die bei sich ist. Viele fragen sich: Was ist mir wichtig? Was hat Relevanz? Wo kann ich einen Mehrwert bringen? Die wollen sich reinhängen – nach ihren Maßstäben.“

Katja Ohly-Nauber
Was ist Dir wichtig bei der Auswahl von Mitarbeitern*innen? 

Zwei Dinge: Werkzeugkoffer und Mentalität. Erstens: Kann die Person analytisch und in Modellen denken und arbeiten, Probleme konstruktiv angehen, Lösungen schaffen und Konzepte erstellen? Und zweitens: Ist die Person ein Teamplayer, bringt sie sich offen und engagiert ein, hat sie eine positive Grundhaltung, indem sie dem Gegenüber erst einmal eine gute Intention unterstellt? Zählt für die Person der Gemeinschaftserfolg, will sie unbedingt, die Sache und die Mannschaft voranbringen? Ich glaube, ein richtiger Werkzeugkoffer und ein positiver Mindset sind wichtiger als bereits vollständig ausgeprägte Fachkenntnisse in einem spezifischen Arbeitsgebiet. Wenn die Begeisterung für die Sache stimmt, kann man fast alles lernen.

Zur Person: Katja Ohly-Nauber

Jahrgang 1974, beginnt 2001 nach ihrem Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikationsstudium, als Praktikantin bei Mercedes-Benz. Ihr Weg führt sie u.a. in den Kundendienst und die Trucksparte. Heute verantwortet sie als Leiterin Marketing-Kommunikation mit einem Team von 50 Mitarbeiter*innen das Marketing für Mercedes-Benz Deutschland. Dazu gehören neben den klassischen Kanälen u.a. Event-Plattformen, die Zusammenarbeit mit Markenbotschaftern, Influencern oder die Initiative She’s Mercedes.
Parallel gründete Katja 2010 die Initiative Lauf Mama Lauf, eine Community für Mütter, heute ein Franchise-Unternehmen. Katja ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Früh Mutter zu werden, war für sie kein Masterplan, sondern “ein riesiges Glück”. Ihr Tipp für Frauen mit Kinderwunsch: “Denkt nicht zu viel nach, macht einfach, kriegt Kinder. Der Rest findet sich.“

Ihr konkurriert mit anderen Arbeitgebern um die großen Talente der nachrückenden Generation. Welche Ansprüche haben diese an Arbeitgeber?

Ich finde die Generation Z spannend. Aus meiner Sicht kursiert da eine Fehleinschätzung. Oft höre und lese ich: „Die wollen doch nur Hängematte und Familie anstelle von Firmenwagen und steiler Karriere.“ Nach Vorstellungsgesprächen herrscht Verwunderung, wenn Berufseinsteiger*innen nach Work-Life-Balance und modernen Arbeitszeitmodellen fragen. Ich kann das nicht unterschreiben. Das ist nicht die „Generation Hängematte“, das ist eine Generation, die sehr viel mehr bei sich ist. Viele junge Leute fragen sich: Was ist mir wichtig? Wofür stehe ich? Was hat Relevanz? Wo kann ich einen Mehrwert bringen? Die wollen sich reinhängen und Leistung bringen, aber eben nach ihren Maßstäben. Das erlebe ich bei jungen Mitarbeiter*innen, aber auch bei meinen Söhnen und deren Freundeskreisen, die alle um die 20 sind. Die fragen immer nach den Konsequenzen für bestimmtes Tun. Sie finden, dass wir viel zu viel für Geschäftstermine fliegen. Sie ermahnen mich ständig: „Mama, leg doch mal das Handy weg“. Mein 20-jähriger Sohn hat mir gerade ein Buch geschenkt: „Digital Minimalism: Choosing a Focused Life in a Noisy World“. Diese Generation wünscht sich eine andere Art zu leben und zu arbeiten. Und darauf müssen sich Unternehmen einstellen, um diese junge Talente zu gewinnen und zu halten.

„Super Formate für attraktives Arbeiten stehen und fallen natürlich damit, wie diese durch die direkte Führungskraft gelebt werden.“ 

Katja Ohly-Nauber
Wie macht Ihr das?

Indem wir uns für sie interessieren und ihre Bedürfnisse ernst nehmen. Wir sollten unbedingt wirklich darauf eingehen, wie sie ticken, warum sie so ticken und was wir ihnen bieten können. Ich beantworte die Fragen unserer Bewerber*innen total gern, weil ich das Interesse und den Willen, den passenden Job zu wählen, wichtig finde. Und weil ich sehe, dass wir hier bei uns im Unternehmen sehr viel zu bieten haben.

Was habt Ihr denn zu bieten?

Wir haben inhaltlich sehr spannende Aufgaben: Du kannst hier an der Zukunft der Mobilität mitarbeiten. Und wir haben bei Daimler super Formate für attraktives Arbeiten: hervorragende Regelungen für Homeoffice, zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten, Weiterbildung, Wiedereinstieg und viele weitere Themen. Am Ende des Tages steht und fällt es aber natürlich damit, wie die Kultur durch die direkte Führungskraft gelebt wird. Ansonsten sind die besten Intentionen und Tools dahin.